Eine ganze Woche bin ich zu Hause. Mit dem von mir geplanten Besuch ist tatsächlich nichts geworden. Und sogar nach sieben Tagen Wohnung hüten bin ich noch nicht wieder ganz auf der Höhe. Mir reichts! Melde mich beim Hausarzt an. Zuerst hat er keinen Termin frei, und nein, ich will nicht zu einer Vertretung. Ja, man rufe mich zurück. Vermutlich hat er sich auf Grund meiner Akte wieder an mich erinnert – und er hat doch einen Termin für mich frei.
Erkläre ihm meine Gedanken. Dass ich nun schon weiss wie lange huste, der Schnupfen ist auch hartnäckig. Und wenn ich vom Keller in den ersten Stock gehe schnappe ich nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Nun war ich noch nie auf der trainierten Seite, und ja, ich habe zuviel auf den Rippen, aber dass kann es ja auch nicht sein. Und falls das ganze eine Folge von Krustentierchen und Behandlung ist (Ableger an der Lungenhili, Strahlungschäden an der Lunge, Knoten zwischen den Lungenflügeln) dann gehe ich gleich wieder.
So einfach dann doch nicht.
Mir wird Blut abgenommen. Natürlich! Kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal beim Arzt war, ohne Blut zu spenden. Mehr oder wenig freiwillig. Auch Onki lässt mich immer anzapfen. Für herkömmliche Test reicht der Finger, für Tumormarkertest usw. wird über den Port abgezogen. Ich schweife ab.
Also, man sieht im Blut, dass ich mir vor etwa einer Woche einen Infekt eingefangen habe, der ist noch nicht ganz – aber fast – ausgeheilt. Dieser hat aber meine Bronchien beleidigt. Im besten Fall wird das ganze mit Hilfe eines Asthmasprays in drei Wochen erledigt sein. Wenn ich Pech habe, habe ich noch Asthma dazu gekriegt. Ehrlich, der Mann bringt mir Unglück: Jedesmal, wenn ich bei ihm bin, stimmt etwas nicht. Letztes Mal die Thrombose, jetzt doofe Bronchien. Ich starr‘ ihn an und meine „Ich habe Krebs, und sie hängen mir noch Asthma an?“. Er ist perplex, entschuldigt sich fast. Der arme Mann kann nicht wissen, dass mir solche Sachen nicht gerade schlaflose Nächte bereiten. Ich stelle fest, er ist nicht Onki. An Onki prallen solche Sprüch von mir ab, bestenfalls grinst er dazu und meint, es sei gemein. (Nie würde er mich als Person kritisieren, sondern stets die Sache) Schon möglich, aber manchmal ist es praktisch.
Sauerstoffsättigung mit 99% top (obwohl ich nicht hyperventiliere, meint Hausi), der Blutdruck ist ist durch die Decke, Puls jenseits von gut und böse. Man könnte auch sagen, ich bin etwas davon entfernt, als tiefenentspannt zu gelten. Ja, andere Organe müssen ein wenig mehr arbeiten, wenn die Lunge nicht von selber genug Sauerstoff ran schauffelt, in meinem Fall das Herz & Co.
Zwei Mal am Tag hänge ich nun dran am Asthmaspray, in drei Wochen sehen wir uns wieder. Zum Schluss fragt er noch, wie es mir psychisch geht. Hier sieht man den Unterschied zwischen Laien und Profi. Er fragt direkt nach dem Problem, denn er weiss, wo das Problem liegt. Ich versuche, meinen Krabbler als normale – wenn auch schwere – Krankheit anzusehen. Ja, findet er gut, denn, wenn man es klar bedenkt, es ist nichts anderes als eine normale Krankheit. So viele haben ein schwaches Herz, und wissen, zwei, drei Jahre noch, dann wartet die Grube, ALS, MS – man könnte endlos aufzählen.
Nun weiss ich auch, warum ich manchmal des nächtens aufgewacht bin, aufgesessen, und sehr, sehr tief Luft geholt habe. Ich habe es schlichtweg auf Angst zurück geführt. Nein, ich hatte zu wenig Sauerstoff. Sagte ich schon, dass ich „versuche“, meinen Krabbler als normale Krankheit anzusehen? Der Gedanke, dass mich Angst mitten in der Nacht aufwachen lässt zeigt auf, dass ich nicht immer gleich Erfolg habe damit.
Der Frühling kommt, und mich packt die Putzwut. Wenn man eine Woche lang ausser schlafen, essen, fernsehen und duschen nichts tut hat man ausreichend Zeit, zu beobachten wie der Staub in den Räumen überhand nimmt. Die Fenster werden geputzt, Vorhänge waschen, Boden – alles kommt dran. Vielleicht haben meine Bronchien auch Freude an weniger Staub in der Luft, schaden kann es nicht.
Eine Kollegin besucht mich. Sie ist – wohlwollend ausgedrückt – gerne am jammern. So auch dieses mal. Es geht los, wie schwer sie arbeitet (knapp 80%), wieviel sie mit dem Haushalt zu tun hat, dann macht sie noch einen Schlenker und schimpft über ein paar Ämter, und dass die Schmerzen in der Schulter nicht weg gehen, jeder will etwas von ihr, dies und das. Und wie schwer sie es seelisch hat, wegen ihrer Vergangenheit usw. usf. Hier raste ich aus. Ich schreie sie richtiggehend nieder, ohne wenn und aber. Ob sie überhaupt weiss, wie gut sie es hat, ob sie mit mir tauschen möchte, und dass ich der Überzeugung bin, dass eigentlich ich diejenige bin, die einen Grund zum jammern hat. Und ob ihr auch auffällt, wer stets jammert zwischen uns Zweien und sie soll froh sein, dass sie leidlich gesund ist, alles andere ist nur nette Beigabe.
Sie bleibt ruhig, lässt mich ausschreien (man weiss nicht, wozu man fähig ist, bis es passiert!) und meint danach, ich müsse nicht so laut schreien. Ich koche weiter, (nicht innerlich sondern auf dem Herd) und wir essen miteinander als ob nichts passiert wäre.
Hier war er nun also, mein Ausraster, vor dem ich schon lange Angst hatte. Es darf mir nicht mehr passieren, niemand kann etwas für meine Situation.