Am Rande

So eine kleine Episode finde ich irgendwie schreibenswert, und hat für mich im nachhinein immer noch einen veritablen Unterhaltungswert.

Kürzlich habe ich mich mittels Bus ins Ausland begeben und bin auch in der betreffenden Stadt rumgewandelt. Ziemlich lange, also eigentlich den ganzen Tag. Und von gleich auf jetzt tat mir mein Unterschenkel weh, so weh, dass ich dachte, ich steh‘ das nicht mehr durch. Gerade noch mit Ach und Krach ins Hotel gekommen. Ich grüble. Morgen wieder sieben Stunden im Bus, dass ist doof. Also, Onki muss herhalten. Und Onki meint, evt. abklären betreffend Thrombose. Meine lieben, guten Bekannten, die Thrombosen. Ich grüble weiter, bin ziemlich stur, (vielleicht sind es doch „nur“ Ableger) so stur, dass ich erst morgens um zwei beschliesse, doch noch ins Spital zu gehen. Glücklicherweise – so man hier von Glück sprechen kann – ist auch tatsächlich ein kleines, schnuckeliges Spital gleich um die Ecke. Ich schlurfe zu Fuss dort hin. So sieben Minuten, mehr waren es nicht.

Wie gesagt, klein und schnuckelig das Ganze. Es muss geläutet werden, damit man überhaupt Einlass findet, dabei habe ich mich telefonisch angemeldet. Eine Dame ist am Empfang welche mich auch gleich durchwinkt zur Ärztin, auch einzeln vertreten. Ich als Patient übrigens auch. Werde herzlich begrüsst mit der Bemerkung, dass sie schon seit rund 20 Stunden Dienst schiebt und froh wäre, wenn man das Ganze schnell erledigen kann. Da bin ich doch dabei, lasse ich sie wissen, und fragen nach zwei 1800 Fragmin Spritzen, welche ich auch sehr gerne bar bezahle, wenn dies der Geschwindigkeit dienlich sein sollte. Stille! Was hat sie denn? Ich war höflich, sagte Bitte,  keine Grobheit, kein gar nix meinerseits. Ja, so schnell geht das dann doch nicht. Dieser Satz hätte mich misstraurisch machen sollen, bzw. warnen.

Mach ihr klar, dass Thrombosen nun nicht die allerschlimmsten meiner Wehwehchen sind, ich nur gerne eine Absicherung für die Busfahrt für morgen hätte, und das ganz ohnehin seriös werden abklären lassen zu Hause. Wenn man einen Thrombosen – Ausschluss möchte, dann muss Ultraschall her. Und Ultraschall haben sie in der Nacht nicht, bzw. Mitarbeiter, welche das Gerät bedienen kann. Die Blutwerte sind nicht aussagekräftig, da man mit Tumorbehandlung immer erhöhte Werte Richtung Thrombose hat, weiss ich, und meine Ärztin jetzt (hoffentlich) auch. Sie beginnt zu schreiben, ich leiere meinen Krabbler runter, incl. Kinder und Enkelkinder (leichte Blutarmut, leichte Niereninsuffizienz usw. ). Kann die Dame gerade noch mit ach und krach von einer kompletten Familienanamnese abhalten.

Versuchen wir es also ganz höflich. Ich mache ihr klar, dass ich seit rund vier Jahren nonstop in Behandlung bin, somit unter ärztlicher Behandlung, und das ich ziemlich gut weiss, was geht und was nicht geht. Oh, ganz schlecht. Nun habe ich ihr Gärtchen betreten, ja wo kommen wir denn da hin? Und ausserdem nehme ich ja Blutverdünner, somit ist eine zusätzliche Spritze nicht erlaubt. Doch! Nein! Grummel!!! Onki muss helfen. Mache der Dame den Vorschlag meinen Onkologen zu kontaktieren um nachzufragen. Ob der jetzt mit mir sprechen möchte, so um drei Uhr morgens, meint sie. „Dafür ist er hier“ schnepfe ich zurück. Kommt die mir blöd, komme ich blöd zurück. Hole also Onki aus dem Tiefschlaf. Er hört sich meine Sache an, meint, doch doch, dass mit einer Spritze sei schon ok, dass sei so üblich. (Ja, Onki und ich, auf einer Linie, wie meist). Ich bedanke mich und wünsche ihm weiterhin eine gute Nachtruhe. Er kann es nicht verklemmen und schiebt mit einem, wie ich meine ziemlich diebischen, Grinsen hinterher „Sehen sie zu, dass sie mit den Damen klar kommen“. Ja, dass kann er schon sagen, er geht ja wieder ins Körbchen.

„Wir müssen ein Labor machen“ heisst es. So, so, müssen wir. Ja dann. Hochgekrempelt den Ärmel, ich weise noch auf meine Rollvenen hin, und zack, die Nadel wird mit Schwung reingejagt und sitzt. Bin ehrlich beeindruckt, und sage das auch. Lob tut doch immer gut und kann eine Situation entspannen.

Während mein Blut durch Maschinen gespült wird, meint die Ärztin, sie müsse mich noch untersuchen. Ok. Zuerst die Lunge abhorchen. Die Lunge? Da soll sie sich mal keine allzu grossen Hoffnungen machen, meine ich. Aber oh wunder, meine Lunge klingt wunderbar. Jetzt nicht lachen, alles, nur nicht lachen, mache ich mir klar. Muss ich Onki mal erzählen, meine Lunge sei tadellos, was er dazu meint. Onki ist immer für einen Lacher zu haben. Sie befummelt noch meinen Bauch, und dann geht es runter zum Bein. Ja, es tut weh. Sonst wäre ich nicht hier. Warum ich erst jetzt komme, wenn es doch seit dem Nachmittag schon weh tut, fragt sie ziemlich provozierend. So nicht! Ich schaue ihr gerade in die Augen und antworte, dass ich von Schmerzen der Knochenablegern ausgehe da ich ja eigentlich unter Blutverdünne stehe. Ich hebe meine Augenbrauen, sie senkt den Blick und murmelt etwas von „ach ja, genau“. Nicht anlegen mit mir, über das Hypochonderwesen bin ich hinaus. So was macht mich sauer.

Sie könnte mir ein EKG anbieten? Ich muss wohl ziemlich blöd drein schauen und frage „Wozu?“. Ja, dass sei so üblich. Eher nicht, finde ich für mich, und kann es ihr ausreden. Wenn ich möchte könnte ich auch im Spital übernachten. Und für was jetzt das? Ja, sie hätten gerade Betten frei?!?!? Wenn das kein Grund für eine geschmeidige Spitalsnacht ist. Ich lehne dankend ab.

Wir warten auf die Laborwerte. Irgendwann kommen diese auch – drei Seiten lang – und gehen ans Eingemachte. Ich hätte bitte gerne zwei Thrombosespritzen für die Heimfahrt. Die Ärztin windet sich, will nicht. Aber ich will. Und ich denke, ich muss auch. Sie hätten keine Fragmin an Lager. Egal, dann etwas anderes mit gleicher Wirkung.

Schlussendlich graben die beiden Damen aus dem unendlichen Fundus ihrer Medikamente drei Spritzen hervor. Die Erste hiervon würden sie mir auch gleich geben, ich soll doch bitte mal auf die Liege. Nein, die Erste werden sie mir nicht geben, ich nehme alle drei mit, spritze mir im Hotel im Bett die erste und fertig und aus. Grummel, diesmal auf der anderen Seite. Ob ich noch sterile Tupfer brauche. Ja bitte, bin leider ohne derselben in meinem Koffer losgezogen.

Nach geschlagenen zwei Stunden schlurfe ich mit Spritzen bewaffnet wieder ins Hotel. DAS nennen die schnell machen?

Als ich Onki in groben Zügen davon berichte schmunzelt er. Zu den drei Seiten Laborberichten mein er nur „die haben aber viel getestet“. Ja, irgendwas muss ja gemacht werden, wenn schon kein EKG, oder?

Dieser Beitrag wurde am 7. Februar 2020 veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 4 Kommentare

4 Kommentare zu “Am Rande

  1. Hallo Krustentierchen, bin durch Zufall auf deine Seite gestossen und bewundere dich
    für deine Stärke, du hast ja schon einiges hinter dir.
    Tut mir leid, aber deine „Aufspielerei“ Ärzten gegenüber empfinde ich nicht nett. Wenn du dich
    schon so prächtig auskennst, hättest du ja rechtzeitig in das Spital gehen können, dann hätten
    eine überarbeitete Ärztin, oder auch dein Onkologe, ihre verdiente Nachtruhe haben können.
    Alles Gute!
    Harry Elhard

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    • Hallo Harry
      Ein guter Arzt hört auf seinen Patienten, weil dieser seinen Körper am besten kennt. Diese Weisheit stammt nicht von mir, sondern von meinem Gynäkologen, Chefarzt der Frauenklinik im Spital meines Vertrauens.
      Die betreffende Ärztin hat stur das Programm runter gespult und hat absolut keinen Unterschied gemacht, dass vor ihr eine erprobte Langzeitkranke sitzt, welche bereits drei Thrombosen hinter sich hatte (wie ich ihr mitgeteilt habe), und nicht eine „Erstpatientin“.

      Es beschleicht mich der Verdacht, dass Du auch so ein armer, überarbeiteter Arzt bist. 🙂
      Aber um das Ganze kurz zu machen, ich bin schon zu lange krank um nicht zu merken, wann ein Arzt den Arzt hervor kehrt und mich nicht ernst nimmt.
      Liebe Grüsse
      Heidi

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  2. Auch mir hat ein Chefarzt in der Orthopädie gesagt: „Sie sind der Spezialist für Ihren Körper – ich kann Ihnen mit meinem Wissen vielleicht weiterhelfen“
    Genau so hat es zu sein – und nicht die Besserwisserei so mancher überarbeiteter Mediziner
    Just my Two cents
    Bea

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    • Hallo Bea
      Ja, mit der Zeit „lernt“ man mit Ärzten umzugehen, nicht wahr? 🙂
      Aber ich kann nicht klagen, bis auf ein paar ganz wenigen Ausnahmen bin ich immer bei wunderbaren Ärtzen gelandet.
      Auch mein Studienarzt ist menschlich und fachlich top!
      Sende Dir stürmische Grüsse
      Heidi

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