Rechtzeitig liege ich wo ich soll, um mit der Studie zu beginnen. Zuerst mal wird, was sonst, Blut genommen. Über den Port, dass geht 1a. Mein lieber, guter Port, erst einmal hat er mich im Stich gelassen. Nun warten, ob meine Blutwerte stimmen. Wir beginnen mit dem Kortison, intranvenös, und in ausreichender Menge. Und wieder warten. MPi kommt und meint, ich ess‘ zu wenig, man sehe es im Blut. Und flugs kommt er mit hochkalorischen, (nein, nicht cholerisch!) Eiweiss angereicherten, medizinischen Drinks daher. Ich versuche einen und es ist einfach nur widerlich. Wir beginnen mit dem Studienmittel
Alles ruhig, alles gut. Nichts passiert. Muss noch sechs Stunden bleiben, und mir wird stündlich Blut genommen und Blutdruck gemessen. Weil mir gar langweilig ist, laufe ich auf dem Gang ein wenig hin und her. Auf der anderen Seite des Ganges ist die reguläre Onkologie wo die Chemopatienten aufgereit liegen. Sind schon einige mehr wie bei Onki. Und zum Teil sind sie sehr, sehr aggressiv, kriege ich mit. Ich plaudere mit einer Chemodame, und sie bestätigt mir, ja, Aggressivität kann schon sein. Ist meist auch Ausdruck von Hilflosigkeit. Mir muss auch noch ein zweiter intravenöser Zugang gelegt werden, da das Blut an zwei verschiedenen Stellen abgenommen werden muss. Kann man mich nicht schütteln wie einen Cocktailshaker, damit sich alles gut durchmischt in meinem Körper? Und hier kommen meine Rollvenen wieder ins Spiel. Die erste Dame versucht es mutig an zwei Stellen, negativ. Die zweite Dame sieht sich das Ganze an und ruft schlussendlich eine ehemalige Mitarbeiterin der Anästhesie zur Hilfe. Nach nur drei Versuchen sitzt der Venflon.
Nach den besagten sechs Stunden kann ich aufs Zimmer. Eigentlich fühle ich mich absolut fit zum Laufen. Einzig, der Christbaumständer mit der NaCl Infusion überzeugt mich, doch einen Transport in Anspruch zu nehmen. Und doch, ich komme mir ziemlich dämlich vor in so einem Rollstuhl. Unterirdisch geht es zügig dahin. Mein Rollstuhl wird von hinten praktisch eingeklemmt, und mit einem kleinen Fahrzeug geht es hurtig in ein anderes Gebäude. Zu Fuss hätte ich nach draussen gemusst, und so ist es doch sehr viel praktischer.
Ich werde bereits erwartet. Überrascht mich auch nicht, habe gehört, wie „meine“ Chemodame etwa fünf Mal mit der Station telefoniert hat und mich angekündigt hat, was ich für eine Behandlung hätte, was man mit mir machen muss und und und. Als Tumorerkrankter hat man ohnehin schon eine Vorzugsbehandlung, wie ich in den letzten Jahren festgestellt habe. Nun bin ich irgendwie ganz oben angekommen. Da muss nicht mehr gewartet werden, nein, man wartet auf mich.
Auf dem Einzelzimmer kommt ein schnukeliger Pfleger und checkt mich durch, will heissen, Vitalwerte, Puls, Blutdruck, Herzschlag, Sauerstoffsättigung, Blutentnahme und Temperatur. Und die Temperatur bringt die Maschinerie richtig zackig zum laufen. Verdacht auf COVID-19. Hui, hui, hui, ein Wagen kommt ins Zimmer mit Schutzmäntel, (zum Einweg Gebrauch), Schutzbrille und Schutzmasken. Ein Abstrich wird genommen, hoch in die Nase, dass man das Gefühl hat, das Ding kommt im Hirn wieder raus. Meine Zimmertüre wird aussen mit „Isolation“ markiert, und ich muss im Zimmer bleiben, bis zum Ergebnis des Testes. Sobald jemand ins Zimmer kommt setzte ich mir eine Schutzmaske auf. Blut muss mir auch genommen werden, und zwar an zwei Stellen, Port und über den Venflon. Dieser tut aber nicht mehr wie er soll, rein kann man Zeugs spritzen, raus kommt nichts mehr. Mein Pfleger versucht es an zwei Stellen, negativ, seine Kollegin stochert auch noch rum, wieder nichts. Und plötzlich schielt sie auf meine Beine, bzw. Fuss. Ob sie da mal dürfte…..?? Am Fuss? Seit wann das denn?? Ja, dass hätte sie schon öfters gemacht. Weil ich nicht davon ausgegangen bin, dass man sich an meinem Körper von oben bis ganz nach unten durcharbeitet sind meine Beine mit einem gepflegten Winterpelz bedeckt. Wie peinlich ist das denn! Nun, Blut müssen sie haben, meine Venen sind für die Tonne, also los, dann halt am Fussrücken mal angezapft. Und es klappt.
Teilweise piepst der Automat neben mir – zu hoher Puls, wohl schon gefährlich hoch. Manchmal piepst es aber auch, da die Sauerstoffsättigung zu niedrig ist, gefährlich niedrig. Mein Pfleger bietet mir Sauerstoff an, und, ja bitte. Weil ich ja weiss, dass ich wieder Wasser auf der Lunge habe weiss ich auch, dass es mit dem atmen mühsamer wird. So Sauerstoff in die Nase geblasen, dass kann einen schon die Illusion von einem Bergsee an einem Frühlingsmorgen bringen. Es ist ganz wunderbar.
Irgendwann kommt noch was zum Essen. Alles in allem wird drei Stunden an mir rumgetestet, gestochen, Infusion ran, stündlich testen. Ich habe zu gegebener Zeit einfach mal hingehalten und mitgemacht, diskutieren bringt ja nun gar nichts. Meine Medis kommen auch zur Zeit. Und MPi zeigt sich auch noch, bevor er nach Hause geht.
Die Nacht ist wunderbar. Trotz Kortison. Es war so ziemlich das einzige, worauf ich beharrte. Gebt mir was zum Schlafen, egal was. Und irgendwie haben sie mich richtig ausgeschaltet. Zusätzlich der Sauerstoff. Schon lange nicht mehr so gut geschlafen.
Am Morgen kommt das Frühstück und gleich dazu mein MPi. Ja, also, eigentlich geht es mir gut. Ok, das mit dem atmen, aber das ist ja nun ein alter Hut. Und ich glaube auch nicht das mich COVID-19 erwischt hat. Nicht nur er, eigentlich alle, sind der Meinung, dass es mit 99%-iger Wahrscheinlichkeit negativ ist. Und wenn auch positiv. Ich habe andere Sorgen. Nützt das Studienmittel etwas? Werde ich es vertragen? Und wenn nicht, zurück zu Onki und wieder Chemo? Wenn, bzw., da wieder Wasser auf der Lunge, wann kann ich eine Pleurodese machen. Vorher muss nochmals punktiert werden. So kann ich nicht nach Hause, dass Wasser muss weg. Und schlussendlich auch noch, wann wird mich mein Krabbler in die Knie und zu Boden zwingen?
Mittlerweile hänge ich an Penicillin. Weil ich Fieber habe, vermutet man irgendwo eine Entzündung. Bakteriell oder viral, egal, bei Leuten wie mir fackelt man nicht lange, klärt nicht lange ab, da gibt man Mittel, von denen man annimmt, sie (könnten) helfen. Das wäre dann die vierte Anntibiotika – Kur in zwei Jahren. Krabbler sei Dank. Mein Leben davor hat praktisch ohne statt gefunden. Ich gelte als Hochrisikopatient, und da läuft es dann schon ziemlich wie am Schnürchen, kann man nicht anders benamsen.
Eine Visite, bestehend aus dem leitenden Arzt und noch ein Weisskittel, kommt auch mal am Vormittag. Es ist etwas mühsam mit jemanden zu sprechen, wenn drei viertel des Gesichtes bedeckt sind. Aber, was soll’s. Ich lasse wieder verlautbaren, dass es mir eigentlich gut geht, dass ich nicht glaube, mir den Virus eingefangen zu haben, und wenn auch, dass es mir nicht so grosse Sorgen macht. Weisskittel der Zweite lacht, und meint, ich nehme dies aber locker. Ja, ich habe und hatte andere Sorgen. Sie ziehen ab.
Mittagessen rollt an. Ist schon etwas öde, wenn das Essen die einzige Abwechslung ist, die man im Tag hat. Zwischendurch döse ich ein wenig vor mich hin. Plötzlich steht jemand im Zimmer und meint, wir könnten uns zur Lungenpunktion auf den Weg machen, ob ich laufen könnte? Ja, kann ich, so trotten wir los. Es ist mittlerweile das vierte Mal, und so weiss ich ja, was auf mich zukommt. Allerdings ist es das erste Mal, dass vor mir jemand steht, und mit die Pfötchen hält. Narkosespritze rein, und mein rechtes Bein zuckt aus. Scheint so, als ob sich da ein Nerv vor die Spritze geschummelt hat. Wasser kommt raus, und irgendwann ist wieder fertig. Die betreffende Dame kommt mich abholen und betritt den Raum mit dem Satz „Sie sind negativ“. Ich antworte nicht, ich streife mir die Maske ab. Reicht auch so.
Ich bleibe noch eine zweite Nacht. Mein schnuckeliger Pfleger vom Abend vorher kommt auch wieder, und wir plauschen ein wenig miteinander. Irgendwann muss er doch wieder an die Arbeit, und ich horche am Kopfkissen.
Der leitende Arzt der Station kommt mit meinen Austrittspapieren. Ob ich ein Arbeitszeugnis brauche, er hätte eines dabei. Danke, ist nett, aber das mache ich dann monatlich mit MPi. Und dann hätte er mir noch ein Rezept für Medis die ich nehmen muss, und Medis für auf Reserve. Das hingegen nehme ich gerne an. Einen Austrittsbericht hat er auch noch, welchen er an meinen Hausarzt schickt. Dann blauschen wir noch ein wenig über die Corona – Welle und er verabschiedet sich. Ich ziehe mich an, verabschiede mich im Schwesternzimmer und mache mich auf den Weg zur Apotheke. Ja, also, das Penicillin reicht nicht für die nötigen Tage. Doch, tut es, weil wir letzte Nacht um vier Uhr damit intravenös begonnen haben. Und den Magenschoner sollte ich auf einen reduzieren. Kaum, weil ich ein 12-Finger-Darm-Geschwür habe, ich zusätzlich noch Blutverdünner nehme, wir so verhindern wollen, dass dieses wieder zu bluten beginnt, und ich vermutlich noch einen stillen Reflux so wie eine gereizte Magenschleimhaut habe. Aha! Als sie mir noch erklären will wie das mit den Blutverdünnern läuft lehne ich mich nach vor und meine, ich will jetzt nicht wichtig tun, aber seit rund vier Jahren weiss ich schon was ich wie nehmen muss, und dass ich froh wäre, wenn sie mir einfach meine Medis gibt. Oh, ja dann, sie sei dankbar für den Hinweis, aber sie müsse die Patienten halt aufklären. Ja,weiss ich schon, schätze ich auch, aber irgendwann ist es genug der Aufklärung. Wir verabschieden uns friedlich.
Eine liebe Kollegin kommt mich holen. Zu Hause packe ich nicht alles aus, weil ich weiss, dass ich in ein, zwei Wochen wieder ins Spital muss, für die Pleurodese. Für die Studie ohnehin alle vier Tage.
Mal schauen, wie die nächsten Wochen, Monate vergehen….