Neu, oder doch nicht

Meine Haare sind Geschichte, und so laufe ich nun mit Tuch rum. Ein Arbeitskollege in meinem Büro gibt mir die Hand, stellt sich vor und meint, wir haben uns ja noch nie gesehen. Der Ehrlichkeit halber muss man sagen, er ist erst seit ein paar Monaten dabei. Doch, meine ich, wir kennen uns, nur hatte ich früher noch Haare. Ich hatte keine Zeit, ihm das Ganze auf die sanfte Tour zu erklären, also muss ein einziger aussagekräftiger Satz genügen. Und wie meist in solchen Situationen, es ist ihm peinlich, er entschuldigt sich, aber da bin ich schon unterwegs, zurück zu meinem Arbeitsplatz.

Mir fällt auf, mit einem Tuch auf den Kopf wird man doch sehr viel eher angestarrt, wie wenn man mit einer Perücke unterwegs ist. Natürlich habe ich meine zwei noch zu Hause, aber jetzt, im Sommer, ist so ein Tuch doch eindeutig angenehmer. Wer immer mich anstarrt, ich starre zurück, und es darf geraten werden, wer zuerst den Blick senkt.

Treibe mich auf einem Konzert herum, und mir fällt angenehm auf, es ist keine Kindergartenveranstaltung, ich bin mit meinem Alter im unteren Drittel. Vor mir hüpft mein persönlicher Taxitänzer mit unterirdischen „Moves“ rum. Ich klopfe ihm auf die Schulter und frage, ob er mir versprechen kann, dass ich hier ohne blaue Flecken raus komme. Er strahlt mich an und lässt ein überzeugendes „nein“ hören. Oha! Dann anders. Mir scheint, ich ernte von rundherum mitleidige Blicke. Plötzlich steht mir eine Dame gegenüber, und mit Hand und Fuss gibt sie mir zu verstehen, wir machen uns an meinen Taxitänzer ran. Gerade soviel, dass wir ihn berühren, natürlich nicht stossen, wir wollen ja keine Krach, aber wir fummeln um ihn herum, mit den Händen an seinem Kopf vorbei (was kein Problem ist bei so kleinen Herschaften), streifen ihn von Zeit zu Zeit, und wir haben Erfolg. Sein spastischen Zuckungen nehmen ab, natürlich nicht ganz, aber ein bisschen. Nach der Pause verziehe ich mich ins Auto. Meine Hüfte schmerzt. Ich will gar nicht wissen warum, (Knochenmetas?) und mache es mir im Auto gemütlich. Die Musik ist laut genug, bin immer noch dabei. Zum ersten Mal tut mir meine Hüfte, eigentlich mein Chassis, also die tragenden Teile, weh, wenn ich länger rum stehe. Die sollen bloss nicht dumm tun, diese doofen Knochenmetas. Kann ich aber gar nicht brauchen.

Trabe wieder mal bei Onki an, seine Ferien sind vorbei, und so lande ich bei ihm, nicht mehr bei seinem Kollegen. Ich schliesse die Türe, stelle mich davor, halte diese noch vorsichtshalber mit den Händen zu und fordere ihn auf „Los, erzählen sie von den Ferien“. Er grinst, erzählt, ich höre zu, die Zeit verfliegt. Irgendwann fragt er dann doch, wie es mir geht. Ich winke ab, die ewig gleiche Leier, langweilig, weil er eh schon alles weiss, er soll lieber von den Ferien weiter reden. Ja, ich gebe es zu, vereinzelt sind unsere Gespräche nicht das was im herkömmlichen Sinn unter einem Arzt / Patienten Gespräch erwartet wird. Ist mir egal, und so wie es aussieht, nimmt er es da auch nicht so genau. Also, wie er es mit anderen Patienten hält weiss ich natürlich nicht.

Da ist noch ein Knötchen am Hals, dass kommt und geht, und wieder geht und kommt, die noch vorhandene Brust sticht manchmal ein wenig, müde, so drei / vier Tage nach einer Chemo, aber wenn ich das so lese, ist es doch eher grottenlangweilig, wenn ich von meinen Bebelie spreche. Also, hinfort damit. Da sind sie ja sowieso.

Bei der momentanen Chemo habe ich noch zwei Zyklen vor mir, will heissen, noch rund sechs Wochen. Danach, so wie mir Onki gesagt hat, geht es weiter mit einem Antikörper. Die Antikörper kriege ich ohnehin nonstop. Weil die momentane Chemo keine zielgerichtete ist, geht sie auf alles los, also auch auf die gesunden Zellen. Denke mir, deswegen wird mal ein bisschen pausiert mit der nächsten Chemo. (Nehme an, da wird schon noch die eine oder andere kommen…?) Aber mir macht es ein wenig Sorgen. Das Wasser auf der Lunge verschwand erst mit der jetzigen Chemo. Und dann? Kommt es wieder? Wieder absaugen lassen oder wie oder was? Wobei ich natürlich nie weiss, wo es als Nächstes bei mir happern wird. Schilddrüse schmerzt, Thrombose am Port, Atemprobleme, Wasser auf der Lunge, Magenschmerzen, zwölf-Finger-Darm-Geschwür und das Kellergewölbe musste ja auch saniert werden. Was als nächstes? Irgendwas komm bestimmt, soviel ist sicher. Sch…. Spiel, das Ganze….

 

 

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