Archiv | Februar 2017

Abheben

Bald geht es los – Richtung Singapur. Warm wird es sein, und vermutlich unsäglichicher Betrieb. Gefällt mir. Fremdes Essen, fremde Leute, fremde Sprache.

Meine Reisebegleitung und ich schauen uns an, was man tun kann. Dort ein bisschen, da ein bisschen, vermutlich werden wir nicht die Hälfte schaffen. Wir waren ja schon mehrmals zusammen unterwegs, und sind Trantüten wenn es um’s Reisen geht. Da schauen, dort auch, dann kommt uns immer die Grösse dazwischen, seien es die km, welche wir mit dem Auto zurück legen (sollten), oder halt ein Städtchen wie Singapur.Und Essen, hach, Essen. Wie sonst kann man am besten in eine fremde Kultur eintauchen. Es mag sein, dass es Reisende gibt, die auch in fernen Ländern ein Schitzel möchten, wir gehören nicht dazu. Herr mit all den Sachen, die der fremde Kochtopf zu bieten hat. Wobei, bei gewissen Sachen streike ich. Affenhirn…., z. B. , nein danke.

Die Tabletten sind eingepackt, mein Therapieblatt auch, man weiss ja nie, ob da so was ungeschicktes passiert, und frau ins Spital muss. Aber, musste ich noch nie, will ich auch nicht, also kommt es auch jetzt nicht in Frage – und basta!!

Kommerz

Valentinstag, nach dem lieben Muttertag wohl einer der geschäftstüchtigsten Tage. Aber was für die Amis gut ist kann für Europa nicht schaden.

Ich weiss nicht mehr wo ich letztes Jahr am 14. Feb. war, wohl aber vor zwei Jahren. Fluchend bin ich in San Francisco im Kreis gefahren. Wobei, bei dem Strassenraster der amerikanischen Städten war es eher ein hin und her fahren. Auf der Suche nach einem Hotel. Weil der Vaelntinstag mit dem Predident’s Day zusammenfiel war das ganze ein verlängertes Wochenende für die Amis. Und die halbe Bevölkerung schien sich in Frisco zu treffen. Das einzige freie Zimmer wurde zu einem exorbitanten Preis angeboten. Und was für eine Bretterbude, nein danke. In Oakland wurde ich dafür fündig.

Singapore steht an – die Absteigen sind reserviert, der Flug auch. Mal schauen, wie es wird. Vorher muss noch ein bisschen Gift nachgefüllt werden, sprich Therapie. Wird schon gut gehen, die Chemo steht ja noch nicht an. Vermutlich kommt die Chemo erst wenn ich Schmerzen kriegen. Keine Ahnung. Mal schauen, was Onki meint. Was er sagt – wir getan. Wenn einer noch weiss, was ich in meinem Leben noch zu tun habe – dann er. Bis dahin mache ich was mir gefällt. Habe ich früher auch schon gemacht, jetzt beginne ich  nur mehr zum einteilen, mehr zum organisieren. Wir eine Frage der Zeit – langsam.

Treffen

mit Leidensgenossen steht auf dem Plan. Mein Kollegin und ich wandeln zum zweiten Mal zu den Tumortagen. Ich sehe das schon etwas gelassener, vielleicht auch, weil ich mich nun doch schon über ein Jahr mit meinem Krustentierchen herumschlage. Und ich schäme mich. Ich höre von Schiksalen, die schon 17 Jahren (Lymphdrüsenkrebs) andauern.(Und nach eigener Aussage bei der Chemo fast drauf gegangen sind).  Oder eine ander Dame, nachdem sie den Brustkrebs besiegte – kam der Darmkrebs, seit 20 Jahren ist sie mit diesen Krustentierchen unterwegs. Was masse ich mir an, zu jammern. So viel schwere Schiksale treffe ich hier.

Auf dem WC trete ich wieder sehr zielsicher ins Fettnäpfchen. Eine sehr junge Frau wartet vor mir, sie hat eine Mütze auf, und darunter sehe ich einen mehr als spärlichen Haarwuchs. „Gerade mit der Chemo begonnen“, frage ich. Nein, sie begleitet ihre Mutter. Wo sind die berühmten Löcher, in welche man sich in solchen Situationen gerne verkriechen würde? Von Haus aus so wenig Haare, konnte ich doch nicht wissen…..

Eine alte Bekannte treffe ich auch. Meine Photonenmeisterin. Sie kennt mich mit Namen, und weiss auch, wer mein Onki ist. Hm, nur die ganz Guten und ganz Schlechten bleiben in Erinnerung.

Schnell gefragt, ob die roten Flecken auf meiner Brust ein Nachleiden der Bestrahlung sein könnte? Ja, kann schon, aber dafür müsste sie es sich natürlich anschauen. Ich packe meinen nicht mehr vorhandenen Busen selbstverständlich nicht aus. Aber wirklich Hoffnung hat sie mir nicht gemacht. Und wie meistens war mein Onki wieder schwatzhaft, hat ihr einen Bericht über den Fortschritt meines Krustentierchens zukommen lassen. Sie weiss genau, wie es um mich steht, merke ich sehr schnell bei unserem Schwätzchen. Ja, vermutlich ist es das Beste was mein Onki tun kann, alle behandelnten Ärzte auf dem laufenden halten. Dann wissen sie, was läuft, wenn ich wieder antrabe. Bei meiner Photonenmeistern im Speedmaster zur Bestrahlung, oder bei meinem Profischlitzer, wenn mal wieder was weg muss. Er hält ebenfalls einen Vortrag welchen ich besuche.

Nach dem Vortrag nehme ich ihn Beschlag. Wir spazieren zum Kaffeestand – ohne Kaffee zu trinken. Er macht an einer Grippe rum. Ich teile ihm mit, dass mir aufgefallen ist, dass meine Art des Brustkrebses – inflammatorisch mit Her2 Rezeptor – nicht erwähnt wurde. Ja, gibt er zu. Man will einen Bogen um solche Themen machen, um Palliativ Care, um unheilbar, und die sehr kurze Überlebenszeit. Gleichzeitig teilt er mir mit, das 80% aller Krebskranken geheilt werden können. Ich glaub‘ das nicht. Doch, er meint, es fällt nur nicht auf. Da habe ich also die grosse A…. karte gezogen, nicht das Trumpf As. Zur Verabschiedung wünsche ich ihm gute Besserung (Grippe!), und er meint tatsächlich, dass wünscht er mir nicht, aber das es mir noch sehr lange sehr gut geht. Was immer auch sehr lange heissen mag.

Im Plenum referiert ein Radiologe über sein Fachgebiet. Er hat eine Rethorik zum niederknien. Vermutlich hätte er auch über das Liebesleben von Süsswasserpolypen reden können, (und das sind bekanntlich Zwitter) ich wäre bewegungslos an seinen Lippen gehangen. Nach seinem Vortrag mache ich ihm ein Kompliment über seine Eloquenz, er bedankt sich mehr als charmant und meint, er hätte es schon ein paar Mal gemacht. Hoppala! Ein beeindruckender Testosteronträger – für meine Begriffe. Ich sehe zu, dass ich Land gewinne. Frau will sich ja nicht zum Deppen machen.

Hochkonzentriert höre ich meiner Photonenmeisterin zu, wie Strahlung die DNA, ein- und zweistrangig demoliert, als etwas neben mir ziemlich laut zu sprechen beginnt. Es ist das Handy meiner Kollegin, irgendwas wollte sie wohl nachschauen, und plötzlich beginnt das Ding zu reden. Sie kriegt es auf die schnelle nicht ausgeschaltet, fragt mich um Hilfe an, (habe wohl ein Wischhandy, aber eine andere Marke, somit nütze ich nicht viel), der ganze Raum schmunzelt mittlerweile – doch, irgendwann schweigt es wieder. Ja die Technik.

Manchmal ist es tröstend zu sehen, dass man nicht alleine ist mit seinem Schiksal.

 

 

Planen

Ich glaube, ich sollte nicht interkontinental unterwegs sein, wenn ich unter Chemo stehe. Erklärt mir, warum Onki mit der Chemo warten will. Noch geht es mir wie gesagt gut, keine Schmerzen, nix. Nur, wenn ich Chemo habe und Fieber kriege ist Essig. Von Japan ist man nicht so schnell zurück wie von Lissabon. Onki weiss, wo ich noch hin möchte. Und ich glaube auch, er will mir noch eine gute Zeit lassen. Die zielgerichtete Chemo, welche unter Umständen eingesetzt wird, bringt vermutlich nur noch ein paar Monaten. Aber, es ist halt doch Chemo. Natürlich hoffe ich, dass ich auch diese Chemo einigermassen hinter mich bringen werde. Jedoch, ohne irgendwas genau beziffern zu können, habe ich das Gefühl, ich werde schwächer, irgendwie müder. Und manchmal frage ich mich, ob meine Psyche langsam aufgibt. Es ist nicht immer einfach, mit dem ganz umzugehen.

Eine liebe Kollegin von mir hat heute die erste Chemo. Mit meinem Chemomittel und einem zusätzlichen. Onki hat mich aufgeklärt, ihr zweites Chemomittel ist auch ein Immunsuppresivum, zur Unterdrückung von Abwehrreaktionen des Immunsystems. Also das Gleiche, warum ich mir immer Kortison vor jeder Therapie einwerfe plus dem üblichen Antiallergikum. Ich wünsche ihr alles, alles erdenklich Gute, und das sie den Mist gut verdrägt. So wie ich mitgekriegt habe, bin ich schon eher die Ausnahme, wie ich die Chemo hinter mich gebracht habe.

Der Frühling kommt ganz langsam. Mich stresst das. Nicht weil es Frühling ist, sondern weil die Zeit mit einem Affenzahn vorbei rauscht. Viel zu schnell, und ich kann nichts mehr aufhalten.

„Erst im Unglück weiss man, wer man ist“, hat sie mal geschrieben, die Marie Antoinette, als sie in der Concierge auf die Guillotine wartet. Da hatte sie wohl Recht.

Unterwegs

Top vorbereitet machen sich meine Kollegin und ich auf den Weg – nach Wien – geschäftlich. Als ich in meinen Reise- und Arbeitsunterlagen noch den Stadtplan von Tokio finde, leert sie moderat Spott über mich auch. Bis sie Unterlagen von ihrem letzten Urlaub auf Korsika in den Fingern hält. Ausgleich!

Das Geschäftliche erledigen wir  – und machen uns auf den Weg in die Hauptstadt der ehemaligen Doppelmonarchie. Wir schlendern und schauen, die Sonne lacht vom Himmel, und geniesen eine Melange, mit dem obligatorischen Glas Wasser, im Freien. Sie ist der Sprache nicht wirklich mächtig, und ich bemühe mich, zeitgleich zu übersetzen. Simultan, quasi. Ich lasse sie auch wissen, dass ein Dolmetscher im Normalfall vom Trinkgeld lebt. Sie winkt ab, scheint mit den gängigen Reisegepflogenheiten nicht sehr bewandert…..

Vom Stefansdom über die Michaelskirche erreichen wir das Ratshaus – und meine Kollegin strahlt. Das sei ja der Michaelsdom, nun weiss sie wieder, wo wir sind. Ich mache ihr ein Kompliment für ihre Kreativität und zweifle an meinen Fremdenführerqualitäten.

Bei den meisten Sachen, wie z. B. bei diesem Besuch, kommt mir unweigerlich in den Sinn, vielleicht das letzte Mal? Ich warte und lauere. Wann wache ich das erste Mal mit Schmerzen auf, die vermutlich nicht mehr weg gehen? Wann werde ich ans Bett gefesselt werden? Wann, wann, wann …… geht es los.

Aufpassen

Mein Besuch und ich haben es gemütlich. Vor allem, da ich mir regelmässig wünschen kann, was ich zum essen haben möchte.

Abends canastern wir vor uns hin, friedlich, mit einem guten Getränk und netter Musik. Nebenher wird die ganze Familie durchgehechelt. Es ist nicht ganz klar, canastern wir, und unterhalten uns nebenher, oder ist die Unterhaltung die Nummer eins, mit ein bisschen Karten spielen dazu. So gross meine Familie auch ist, irgendwann ist man damit durch – also müssen die Bekannten herhalten. Ich erfahre von Trennungen, Todesfällen (ach, warum wohl????), dies und das. Und ich weiss gar nicht, wie es so weit kommen konnte, plötzlich sind die Zwei emsig damit beschäftigt, meine Habseligkeiten – als Erbe – aufzuteilen. Echt jetzt?? Ich frage mal vorsichtig, ob sie damit nicht warten wollen, bis ich in der Grube bin? Nö, sie finden es einfacher, wenn die Sachen rechtzeitig geregelt werden. Ja, wer solche Verwandtschaft oder Freunde hat – braucht keine Feinde. Vor lauter Gier, entschuldigung, ich meine Aufteilung, brennt noch was auf dem Herd an – somit wird auch meine Kücheneinrichtung reduziert. Zeit für mich, aktiv zu werden.

Ich künde eine Taschenkontrolle für den nächsten Tag an – nach einem Kontrollgang in meiner Wohnung bugsiere ich die Beiden schliesslich auf den Flieger. Wir verabschieden uns herzlich – sie versprechen, bald wieder zu kommen. Meine Familie – alle habe ich sie von Herzen gerne, und weiss, ich kann mich auf sie verlassen. Die schwarzen Schafe lasse ich unter den Tisch fallen.

Onki juble ich in einem diskreten Mail meine nächsten Reisepläne unter. Und bedanke mich schon im voraus, dass er dafür Sorge trägt, dass ich an diesen Terminen fit bin. Da kann er nicht weichen, da muss er mit seiner Giftmischerei schon Rücksicht nehmen, bin ich der Meinung. Kann schon sein, dass er nicht ganz meiner Meinung ist, aber ich tue mal so, als ob das für mich unvorstellbar ist. Unvorstellbar, dass er mich mit seiner Hexenküche ins Bett, und somit zum zu Hause bleiben, zwingt.

Onki ist auch nicht auf den Kopf gefallen. Wenn ich etwas von ihm möchte – merkt er dies im Handumdrehen. Und schmunzelt dazu. Tarnen und täuschen – lautet das Motto.