mit Leidensgenossen steht auf dem Plan. Mein Kollegin und ich wandeln zum zweiten Mal zu den Tumortagen. Ich sehe das schon etwas gelassener, vielleicht auch, weil ich mich nun doch schon über ein Jahr mit meinem Krustentierchen herumschlage. Und ich schäme mich. Ich höre von Schiksalen, die schon 17 Jahren (Lymphdrüsenkrebs) andauern.(Und nach eigener Aussage bei der Chemo fast drauf gegangen sind). Oder eine ander Dame, nachdem sie den Brustkrebs besiegte – kam der Darmkrebs, seit 20 Jahren ist sie mit diesen Krustentierchen unterwegs. Was masse ich mir an, zu jammern. So viel schwere Schiksale treffe ich hier.
Auf dem WC trete ich wieder sehr zielsicher ins Fettnäpfchen. Eine sehr junge Frau wartet vor mir, sie hat eine Mütze auf, und darunter sehe ich einen mehr als spärlichen Haarwuchs. „Gerade mit der Chemo begonnen“, frage ich. Nein, sie begleitet ihre Mutter. Wo sind die berühmten Löcher, in welche man sich in solchen Situationen gerne verkriechen würde? Von Haus aus so wenig Haare, konnte ich doch nicht wissen…..
Eine alte Bekannte treffe ich auch. Meine Photonenmeisterin. Sie kennt mich mit Namen, und weiss auch, wer mein Onki ist. Hm, nur die ganz Guten und ganz Schlechten bleiben in Erinnerung.
Schnell gefragt, ob die roten Flecken auf meiner Brust ein Nachleiden der Bestrahlung sein könnte? Ja, kann schon, aber dafür müsste sie es sich natürlich anschauen. Ich packe meinen nicht mehr vorhandenen Busen selbstverständlich nicht aus. Aber wirklich Hoffnung hat sie mir nicht gemacht. Und wie meistens war mein Onki wieder schwatzhaft, hat ihr einen Bericht über den Fortschritt meines Krustentierchens zukommen lassen. Sie weiss genau, wie es um mich steht, merke ich sehr schnell bei unserem Schwätzchen. Ja, vermutlich ist es das Beste was mein Onki tun kann, alle behandelnten Ärzte auf dem laufenden halten. Dann wissen sie, was läuft, wenn ich wieder antrabe. Bei meiner Photonenmeistern im Speedmaster zur Bestrahlung, oder bei meinem Profischlitzer, wenn mal wieder was weg muss. Er hält ebenfalls einen Vortrag welchen ich besuche.
Nach dem Vortrag nehme ich ihn Beschlag. Wir spazieren zum Kaffeestand – ohne Kaffee zu trinken. Er macht an einer Grippe rum. Ich teile ihm mit, dass mir aufgefallen ist, dass meine Art des Brustkrebses – inflammatorisch mit Her2 Rezeptor – nicht erwähnt wurde. Ja, gibt er zu. Man will einen Bogen um solche Themen machen, um Palliativ Care, um unheilbar, und die sehr kurze Überlebenszeit. Gleichzeitig teilt er mir mit, das 80% aller Krebskranken geheilt werden können. Ich glaub‘ das nicht. Doch, er meint, es fällt nur nicht auf. Da habe ich also die grosse A…. karte gezogen, nicht das Trumpf As. Zur Verabschiedung wünsche ich ihm gute Besserung (Grippe!), und er meint tatsächlich, dass wünscht er mir nicht, aber das es mir noch sehr lange sehr gut geht. Was immer auch sehr lange heissen mag.
Im Plenum referiert ein Radiologe über sein Fachgebiet. Er hat eine Rethorik zum niederknien. Vermutlich hätte er auch über das Liebesleben von Süsswasserpolypen reden können, (und das sind bekanntlich Zwitter) ich wäre bewegungslos an seinen Lippen gehangen. Nach seinem Vortrag mache ich ihm ein Kompliment über seine Eloquenz, er bedankt sich mehr als charmant und meint, er hätte es schon ein paar Mal gemacht. Hoppala! Ein beeindruckender Testosteronträger – für meine Begriffe. Ich sehe zu, dass ich Land gewinne. Frau will sich ja nicht zum Deppen machen.
Hochkonzentriert höre ich meiner Photonenmeisterin zu, wie Strahlung die DNA, ein- und zweistrangig demoliert, als etwas neben mir ziemlich laut zu sprechen beginnt. Es ist das Handy meiner Kollegin, irgendwas wollte sie wohl nachschauen, und plötzlich beginnt das Ding zu reden. Sie kriegt es auf die schnelle nicht ausgeschaltet, fragt mich um Hilfe an, (habe wohl ein Wischhandy, aber eine andere Marke, somit nütze ich nicht viel), der ganze Raum schmunzelt mittlerweile – doch, irgendwann schweigt es wieder. Ja die Technik.
Manchmal ist es tröstend zu sehen, dass man nicht alleine ist mit seinem Schiksal.